Das dunkle Rad Kapitel 6 Eine Ebene Zurück Home Das dunkle Rad Kapitel 8
KAPITEL SIEBEN

Sie waren getäuscht worden -natürlich!
   Und irgendwie waren sie sehenden Auges in diese Falle getappt. Alex
suchte im Amtlichen Planeten-Register den Planeten Cirag und mußte ent-
decken, daß er dort nicht registriert war. Das war also der Grund dafür, daß
er sich nicht an diesen Namen erinnern konnte. Die Tatsache, daß ein Planet
nicht im Register stand, war an sich nicht ungewöhnlich. Nur bewohnte
Welten wurden registriert. Es gab Millionen von bewohnten Sternsystemen,
die im Besitz von Erzsuchern, Händlern oder Forschungsreisenden waren,
deren genaue Positionen man nur in Erfahrung bringen konnte, wenn man
im Galaktischen Verzeichnis Bewohnter Welten nachschlug.
   Cirag aber wurde von intelligenten Lebewesen bewohnt!
   Das konnte nur eines bedeuten: Cirag war unabhängig, hatte es
abgelehnt, der Föderation beizutreten; der Planet war gefährlich, vielleicht
sogar tödlich, höchstwahrscheinlich ein Schlupfwinkel für Freibeuter und
Kriminelle, und ziemlich sicher ein System, in dem der Grundsatz galt: Erst
schießen, dann miteinander sprechen.
   'Wir müssen verrückt sein...', sagte Elyssia.
   Alex nickte. 'Aber könnte Cirag nicht Raaxla sein? Könnte es nicht die
Welt sein, von der mein Vater sprach, bevor er starb?'
   'Auf keinen Fall. Cirag ist Cirag, und Raaxla liegt- wenn es den Planeten
überhaupt gibt -in einer andern Galaxie. Du kennst doch die Legenden.
Cirag ist eine Hölle von einer Welt, wie es scheint. Gib dem Burschen seine
Schildkröten zurück und laß' uns mit Knochen handeln.'
   Aber Alex wollte nicht. Irgend etwas an diesem ganzen Deal, an dieser
Art, wie er sich manipuliert, ja gelenkt glaubte, hatte seinen Appetit aufs
Risiko erregt. Da gab es gutes Geld zu verdienen und damit konnte die
NEMESIS perfekt ausgerüstet werden.
   Und dann konnte die Jagd beginnen. Sie konnten Rache nehmen.
   'Es ist ein Glücksspiel, oder nicht? Oder wie Rafe sagen würde: Kein gott-
verdammtes Wort darüber, daß etwas schiefgehen könnte!' 'Wir müssen
verrückt sein...!' wiederholte Elyssia.
   'Laß uns auf jeden Fall nicht mit andern über diese Sache sprechen...'
   Raus aus der Magischen Zone.
   Der Planet Cirag -eine pastellgelbe Welt -schwebte vor ihnen, die
dunklen Konturen auf seiner Oberfläche, die Alex an die Formen von
Knochen erinnerten, waren wahrscheinlich Gebirge oder Wüsten. Um die
19 Lichtjahre von Xezaor zu schaffen, hatten sie zweimal auftanken müssen,
und als sie nun im innerplanetarischen Raum ankamen, hatten sie nur noch
Brennstoff für zwei Lichtjahre. Der nächste bewohnte Himmelskörper war,
soweit Alex wußte, zweimal soweit entfernt.
   Egal. Mit ihren neuen Brennstoff-Ladern brauchten sie nur die Corona
der Sonne zu durchfliegen, um die Energie-Speicher aufzuladen.
   Cirags Sonne war ein großer, gelber Stern, der trotz seines Alters noch
eine Menge Leben in sich barg. Und der noch ziemlich aktiv war. Als Elys-
sia, die an der Steuerkonsole stand, das Raumschiff auf ihn zu lenkte, schos-
sen gerade zwei ungeheuere Feuerfontänen aus seiner Oberfläche, im-
ponierend anzusehen durch die polarisierenden Filter der NEMESIS.
'Davon müssen wir uns was einfangen' , sagte Elyssia und ging auf
Höchstgeschwindigkeit. Die NEMESIS schoß vorwärts.
   Allerdings nur eine Minute lang.
   'Heilige Mutter der Sterne!'
   Alex starrte gebannt auf den Radarschirm und hatte das Gefühl, als wenn
sich ihm der Magen umdrehte. Die hellen, großen Flecken auf dem Monitor
konnten nur Boa- oder Anakonda-Kreuzer sein. Die vier riesigen Raum-
schiffe hatten sich zum Angriff formiert, die sie umgebenden pfeilförmigen
Punkte waren eine Eskorte aus kleineren Kampfschiffen.
   Gegen die glühende Sonne sahen die schnell aufschließenden Angreifer
wie verschmierte Fettspritzer aus.
   'Boas', stellte Elyssia fest. 'Wie es scheint, sind sie zu Kampf-Kreuzern
umgerüstet worden. Ziemlich langsame Dinger. Bleib dran!'
   Alex klammerte sich an seinen Sitz und schnitt eine Grimasse. Es war
dieselbe Falle, die sein Vater ihm oft beim SimKampf gestellt hatte. Aber
dieses Mal kämpfte er wirklich um sein Leben. Das Universum kippte weg,
seine Innereien schlugen Purzelbäume. Elyssia täuschte einen Flucht-
Looping an, und die kleineren Kampfboote -Mambas, wie es schien -
verließen die Formation und schwärmten aus, um sie zu verfolgen. Aber
Elyssia flog den Looping zu ende und tauchte nun hinter den Piraten-
Schiffen auf.
   Sie segelte so gelassen und frech unter dem Bauch des Kommando-
Raumers hindurch, wie man es besser kaum machen konnte. Sie wurden
unter Feuer genommen, aber Elyssia rotierte um die eigene Achse und wich
seitlich nach hinten aus. Funken und züngelnde Flammen an der Unterseite
der Boa verrieten, wo die Schutzschirme wegen der Strahlermündungen
nicht ganz dicht abschlossen.
   'Die Markierungen sind ungewöhnlich..." , sagte Alex. Schwarz-grüne
Flaggen mit leuchtenden Sonnenstrahlen zierten den Rumpf des Piraten,
seitlich waren Zeichen nicht-irdischen Ursprungs zu sehen gewesen.
   'Dafür sind die Absichten SEHR gewöhnlich...' , murmelte Elyssia. Von
hinten kamen zwei Mambas ziemlich schnell näher. Strahler-Salven zeich-
neten unheimliche Leuchtspuren in den Weltraum um sie herum.
   Die riesigen Raumschiffe hatten ebenfalls gewendet und näherten sich.
Ohne ein Wort zu sagen, gab Elyssia zu verstehen, daß sie die Sonne über
ihnen nicht mehr erreichen konnten, geschweige denn, daß sie genug Zeit
haben würden, ihren Brennstoffvorrat zu ergänzen. Alex, der keinen Au-
genblick die Augen von den Bildschirmen ließ, war sich dessen auch be-
wußt.
   Elyssia ließ die Kobra um die Längsachse rotieren und brachte sie in
Gefechtsposition. Während der Drehung entsicherte sie eine Rakete, feuerte
sie ab und der gegnerische Raumer, der sich am dichtesten an die NEMESIS
herangewagt hatte, verwandelte sich in eine glitzernde Staubwolke.
   Die übrigen bestrichen die vorderen Schutzschirme mit intensivem Feuer
aus ihren Strahlern; die NEMESIS zitterte und jaulte. Elyssia hieb auf die
zwei Tasten für die Seiten-Strahler und die nächste Mamba taumelte mit
defekten Schutzschirmen durchs All -der Pilot war augenscheinlich von
dem plötzlichen Schlag völlig überrascht worden. Elyssia flog näher heran,
um dem Schiff den Garaus zu machen.
Erledigt!
   Eine der Boas näherte sich riesig aus dem Dunkel. Sie rotierte träge, Licht-
blitze züngelten von ihrem spitzen Bug. Wieder entsicherte Elyssia eine Ra-
kete. Über ihr Gesicht rann der Schweiß in Strömen und ihre Hände waren
vor Anspannung leichenblaß. Alex umklammerte hilflos die Lehnen seines
Sitzes, jede der überraschenden Aktionen, jede Verteidigungsaktion machte
er mit, indem er sich hektisch vorbeugte, aufsprang oder zusammenfuhr.
   Die Boa vernichtete die Rakete mit ihrem RA-System, bevor sie auch nur
ein Zehntel der Distanz zwischen den beiden Raumschiffen zurückgelegt
hatte. Die NEMESIS glitt sacht unter ihrem Rumpf entlang, erneut wandte
sie ihr ihre flanke zu. Die träge Rotation des Giganten ausnutzend, bomba-
dierte sie seine verwundbare Unterseite.
   Aber dann geschah es: Von irgendwo, gewissermaßen aus dem Nichts,
kam von hinten Impuls-feuer. Die NEMESIS erschauerte und begann zu
rattern, die Einschläge versetzten sie in schwindelerregende Rotation. Alex
fluchte, weil ihm die Sitzgurte fast die Seele aus dem Leib preßten. Beinahe
hätte ihm der Stoß den Kopf abgerissen. Er richtete sich auf und versuchte,
die Situation zu erfasen: Von rückwärts näherten sich im offenen Rachen
einer Anakonda zwei Mambas, sie schwebte dort wie eine riesige falle,
darauf wartend, sie zu verschlingen.
   'So, jetzt zeig', wie du da herauskommst...', sagte Alex laut und blickte zu
Elyssia hinüber; er wollte herausfinden, weswegen sie einfach geradeaus
flog.
   Er sah sie in ihrem Sitz zusammengesunken, Blut rann ihr vom Kopf und
aus der Nase. Wahrscheinlich hatte sie ihre Sicherheitsgurte zu locker
umgeschnallt und war gegen die Konsole geschleudert worden, als die
Strahler-Impulse sie trafen.
   Alex verließ blitzschnell den Pilotensitz und zerrte die Frau auf den
Boden. für Höflichkeiten war im Augenblick keine Zeit. Er schnallte sich an
und schoß Strahler-Garben auf den Ramm-Sporn der Anakonda; dann flog
er einen Überschlag, um dem gegnerischen feuer auszuweichen und einer
Rakete zu entrinnen, die mit beängstigender Geschwindigkeit näherkam,
ohne daß er sie zerstören konnte.
   Wieder befand sich der Planet Cirag über ihnen. Gerade als er versuchen
wollte, in dessen Sicherheitszone zu entkommen, hatte er einen alarmieren-
den Gedanken: Wer garantierte ihm, daß die Coriolis-Streitkräfte ihn be-
schützen würden, wenn er in ihren Sicherheitsbereich gelangte? Eine derar-
tige Garantie hatte er nicht. Die Weltraumstationen hier konnten ihm
genauso feindlich gesinnt sein wie die Schiffe, die ihn verfolgten.
   Aber wenn er sie wissen ließ, was er an Bord hatte, daß es ihre vergötter-
ten Tiere waren -vielleicht sandten sie dann ihre Kampfraumer aus, um
die Piraten in Schach zu halten.
   Wie aus dem Nichts erschien zur Rechten eine Mamba. Alex versetzte die
NEMESIS in eine Rollbewegung und schoß aus dem Rück-Strahler, verlang-
samte dann das Tempo und beharkte das Killer-Raumschiff mit seiner
front-Waffe. Er sah, wie die Mamba völlig außer Kontrolle durch den Raum
trudelte; sie war zwar nicht gänzlich zerstört, aber weitgehend funktionsun-
fähig.
   Wenn er nur die Ladung loswerden könnte! Vielleicht hätte die Jagd ein
Ende, wenn er die Kanister mit den Überlebens-Zellen der Myrmurths
über Bord warf. Elyssia und er würden 300 Credits einbüßen, aber was
soll's! Weder sie noch er waren ELITE -noch nicht jedenfalls. Selbst wenn
er manchmal daran dachte, ein ELITE-Kämpfer zu werden, konfrontiert mit
einer derartigen... EINE MAMBA NAHM IHN UNTER BESCHUSS. ER
ENTSICHERTE EINE RAKETE, BENUTZTE DANN ALLERDINGS DIE
SEITEN-STRAHLER, UM DEM ANGREIFER PAROLI ZU BIETEN...
   ... konfrontiert mit einer derartig schwierigen Situation, würde auch einer
dieser Super-Kämpfer kaum überleben.
   Elyssia kam zu sich, mühsam richtete sie sich auf und beobachtete durch
blutverkrustete Augen das Kampfgeschehen. Cirag rückte näher. Ein winzi-
ger, sich drehender Punkt silbrigen Lichts blinkte und winkte zu ihnen
herüber, aber sein Anblick erfüllte Alex nicht ausschließlich mit Freude.
   'Wahrscheinlich ist noch etwas außer den Myrmurths in den Kanistern',
mutmaßte Elyssia.
   'Laß' uns das später erörtern', erwiderte Alex, während er sich Über-
schlagend und drehend versuchte, dem Feuer des nächsten der großen
Raumschiffe zu entkommen.
   Seine Partnerin verließ die Kommando-Brücke. Weil sie am Leben hing,
machte sie sich auf den Weg hinunter in den Laderaum.
   Und plötzlich hörten die Angriffe auf.
   AIex sprang vor Überraschung aus seinem Sitz. Einen Augenblick zuvor
hatte sein Heck noch geglüht und sein Bug-Strahler war dicht vor der Explo-
sion gewesen. Und im nächsten: nichts! Die hellen Lichter der Piraten-
Schiffe fielen in die Finsternis des Alls zurück. Zwei der Mambas schnürten
noch hinter ihnen her und feuerten ein paar letzte, optimistische Garden auf
sie ab. Dann verschwanden auch sie, trollten sich von der Sonne weg ins
Dunkel.
   Alex verringerte die Geschwindigkeit und checkte das Ausmaß des
Schadens. Nichts war ernsthaft kaputt, aber sie hatten zwei Raketen ver-
loren und kaum noch Energie. Sie besaßen jedoch noch ihre Ladung, und
daß die Piraten so nahe am Planeten die Flucht ergriffen hatten, konnte nur
bedeuten, daß Cirag seine Besucher zu verteidigen gedachte.
   Elyssia kehrte auf die Kommando-Brücke zurück; in der Hand hielt sie
einen kleinen, schwarzen Kasten -eine Röntgen-Kamera. 'Sie sehen aus
wie Schildkröten, sagte sie, 'und sie stinken wie Schildkröten. Sie sind lang-
weilig wie Schildkröten. Aber ich habe ein paar Röntgen-Photos gemacht;
mal seh'n, ob noch mehr in ihnen steckt.'
   'Gute Idee! Laß' seh'n!'
   'Hab' zwei oder drei Minuten Geduld!'
   Sie stellte die Kamera ab, setzte sich in den Co-Piloten-Sitz und sah ihn
an: 'Bist Du okay?'
   Alex nickte: 'Ein bißchen durchgeschüttelt. Und Du?'
   'Grün, blau und blutig -aber ungebeugt. Sind wir im Sicherheits-
bereich?'
   'Scheint so!'
   Die Coriolis-Station schwebte -angestrahlt vom Sonnenlicht -sacht
rotierend vor ihnen und warf ihren Schatten auf die riesige grau-gelb-
fleckige Welt unten. Einige Schiffe, an Bojen festgemacht, umkreisten sie.
Alles wirkte ruhig und sicher. Die Lichter der Station gingen an und aus.
Alles glänzte, alles schien sie willkommen zu heißen.
   Alex steuerte elegant um die riesige: Weltraumstadt herum, dann wendete
er,um auf die Einfahrt zuzufliegen.
   Aber da war keine Einfahrt. 'Was um Himmels...?'
   Da hing er nun bewegungslos im All, seine Rotation abgestimmt auf die
der Coriolis-Station -und vor sich nichts als blankes Metall. Bei näherem
Hinsehen konnte er sogar die Umrisse der Einfahrt ausmachen, aber sie war
nun wie zum Schutz geschlossen.
   'Angst vor Fremden ?' vermutete Elyssia.
   'Wir brauchen unbedingt Brennstoff. Sie sollten nicht zu ängstlich sein!'
   Ein lautes Knattern des Funkgeräts zeigte an, daß eine Durchsage bevor-
stand. Auf dem Bildschirm waren weiterhin nur die Raumstation mit den
Sternen und der Sonne im Hintergrund zu sehen.
   'Identifizieren Sie sich! Hier spricht die Cirag-Orbit-Kontrolle, identifi-
zieren Sie sich!'
   'Kauffahrer-Schiff der Kobra-Klasse. Name: NEMESIS.', meldete Alex.
'Wir haben eine Ladung Myrmurths an Bord. Öffnen Sie bitte die Einfahrt!'
   Für einen Augenblick herrschte Stille, obwohl der Funkkanal weiterhin
offen zu sein schien, denn das Knattern und Rauschen war immer noch zu
hören. Dann:
   'Achtung, NEMESIS! Der Handel mit Myrmuths ist in Coriolis-Stationen
verboten!'
   'Wie bitte?'
   'Entledigen Sie sich Ihrer Ladung, bevor Sie in die Station einfliegen.
Werfen Sie sie über Bord. Sie erhalten eine Entschädigung.'
   Alex sah zu Elyssia hinüber. 'Was in Dreiteufelsnamen sollen wir tun?'
   'Klingt irgendwie komisch', sagte sie. 'Da ist etwas faul!'
   Sie hob die Kamera auf und entnahm ihr den entwickelten und abge-
zogenen Film. Sie starrte auf die zwei Bilder; plötzlich schien ihr auf-
zugehen, was sie dort sah. Sie schnappte nach Luft.
   'Ach, du liebes Bißchen!', stieß sie hervor und reichte Alex die Abzüge.
   Auf dem Bildschirm konnte man sehen, wie sich die Einfahrt. zur Raum-
station langsam öffnete. Zwei Lichter, winzig in der dunklen Leere, schim-
merten daraus hervor.
   Alex betrachtete die Röntgen-Photos, und einen Augenblick lang begriff
er das Unglaubliche, das er dort erblickte, nicht.
   Im Körper der Myrmurths sah man spinnenartige Lebewesen, denen
anscheinend die harmlosen, behäbigen Schildkröten als Behausung dien-
ten. Der Anblick war auf seltsame Weise ekelerregend. Vielgelenkige Spin-
nenbeine schienen sich in alle Glieder, ja in alle Körperregionen zu erstrecken.
Der Leib glänzte schwarz, eine Anzahl von glubschigen Facettenaugen war
deutlich zu erkennen. Zwei lange, stachlige Tentakel dieser gräßlichen Para-
siten ragten ins Gehirn der Myrmurths.
   'Was bedeutet das?', flüsterte Alex; Elyssia antwortete: 'Das bedeutet auf
jeden Fall Arger. Was Du da siehst, sind embryonale Thargoiden!'
   Alex fühlte, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte. Sie transportierten
Tharglets, die Larven eines der gefährlichsten Lebewesen des bekannten
Universums!
   Hereingelegt!? Wahrscheinlich. und das Betrugsmanöver hatte damit be-
gonnen, daß sie auf Xezaor gefoppt worden waren.
   Kein Wunder, daß die Piraten so wild hinter ihnen hergewesen waren.
'Für Tharglets bekommt man hohe Prämien. Die Navy braucht sie für For-
schungszwecke.'
   'Sie sind auch höchst gefährlich. Und vollentwickelt und trainiert geben
sie ausgezeichnete Kämpfer ab. Wir haben Killer nach Cirag transportiert.
Und zwar für die Piraten. Kein Wunder, daß sie uns vernichten wollten. Sie
legten keinen Wert darauf, daß irgendwelche Beweisstücke zurückblieben.'
   Alex sah zur Raumstation hinüber. Einige Augenblicke hörte er Elyssias
Worten zu, ohne ihren Sinn zu registrieren. Er dachte an die Piraten, die
angegriffen hatten und die zurückgeschlagen worden waren.
   Er dachte daran, daß sie die Gefahr nun hinter sich hatten. Sie lagen in
der Nähe einer Coriolis-Station, aber jetzt wurden sie von einer neuen Gefahr
bedroht: Sie nannte sich 'verbotener Handel'.
   Er dachte: 'Sicherheit geht vor.'
   Noch in Gedanken beobachtete er, wie die Scheinwerfer-Augen
vorwärts glitten, aus dem Weltraum-Tor hinaus. Hinter den Auge folgte der
wuchtige Umriß des Raumschiffes, zu dem sie gehörten. Das helle Licht, das
jetzt in einem breiten Strahl aus der Coriolis-Station drang, warf den Schat-
ten des Schiffes auf die NEMESIS.
   Der Schatten einer Schlange.
   Der Kobra!
   Er hätte dieses Schiff überall wiedererkannt. Es war Monate her, seit Alex
es gesehen hatte,aber keine Nacht war vergangen, ohne daß nicht sein Bild
und das von ihm ausgegangene Unheil durch seine Träume gegeistert
wären.
   Das Schiff, das die AVALONIA zerstört hatte, kam langsam auf sie zu und
Alex hatte keine Zweifel an seiner Identität.
   Elyssia ebenfalls nicht.
   Sie atmete heftig ein und sprang auf die Gefechtskonsole zu. 'Ich will ihn!
   Laß' mich an die Konsole!'
   'Geh' weg', sagte Alex kalt. Elyssia drehte sich zornig nach ihm um.
   'Ich habe darauf ebenso ein Anrecht wie Du!'
   'Das Glück des Tüchtigen ist auf meiner Seite' , sagte Alex sarkastisch, 'der
Pilot jenes Raumschiffes ermordete meinen Vater.'
   'Der hat meine ganze Familie umgebracht. Wir waren gerade von Teorge
geflohen und baten das Schiff dort um Hilfe und Proviant. Sie aber haben
meine Schwester und mich als Sklaven genommen und den Raumer meiner
Familie in Stücke geschossen. Ich konnte fliehen; meine Schwester nicht.
Alex, ich muß diesen Bastard haben!'
   'Zu spät!'
   Vom Bug der Kobra schlugen ihnen Strahler-Garben entgegen. Die
NEMESIS rüttelte und ratterte. Alex entsicherte eine Rakete, dann erwiderte
er das Feuer. Die Energie breitete sich über die Schutzschirme der Kobra
wie eine helle gelbe Blume aus.
   Das feindliche Schiff beschleunigte. Alex erhöhte ebenfalls die Geschwin-
digkeit, flog jedoch über den Killer und die Raumstation hinweg.
   'WIR DÜRFEN NOCH NICHT GEGEN SIE KÄMPFEN. WEDER SIND
UNSERE WAFFEN STARK GENUG, NOCH REICHEN UNSERE VER-
TEIDIGNUNGSSYSTEME AUS. NOCH NICHT! VERDAMMT! ABER WAS
SOLLEN WIR TUN!'
   Auf dem rückwärtigen Bildschirm sah Alex den dunklen Umriß des Kil-
lers über der Coriolis-Station auftauchen. Ein Warnsignal verkündete RA-
KETE IM ANFLUG und Alex aktivierte das RAS, um sie zu zerstören. Als
das gelungen war, wendete er. Die beiden Schiffe, mächtige Metallkörper,
glitten aneinander vorbei, bestrichen sich mit Salven aus ihren Strahlern,
wendeten und flogen wieder aufeinander zu.
   Zwei Mal duellierten sie sich auf diese Weise, Die NEMESIS ächzte unter
der Wucht der Einschläge; die Energie in ihren Speichern begann dahinzu-
schwinden. In Alex' Kopf herrschte nichts als totales Durcheinander. Die
Kobra wußte anscheinend, wer er war, sie wollte ihn zur Strecke bringen,
und sie würde ihn nicht entkommen lassen. Und außerdem: Sie war das
Schiff, das er auf seiner Abschußliste obenan hatte.
   Aber er war nicht genügend ausgerüstet. Noch nicht! noch nicht...
   Und deshalb wendete Alex trotz Elyssias Protesten und flog Richtung
Sonne.
   Die Kobra folgte. Die zwei Raumschiffe vollführten alle Arten von Manö-
vern, überschlugen sich, verringerten das Tempo, beschleunigten. Wenn
möglich, schoß Alex mit dem Rückstrahler, das hatte zumindest den Effekt,
daß der Pirat ein Stück hinter ihnen blieb. Der schoß noch drei Raketen auf
ihn ab, aber Alex erledigte sie. Er war versucht anzunehmen, daß die Kobra
nun keine Raketen mehr besaß, aber sicher konnte man dessen nicht sein.
   Seine eigenen Projektile ließ er entsichert, abschußbereit; er konnte sich
aber vorstellen, daß sie ein schnelles und nutzloses Schicksal ereilen würde.
   Die Sonne kam näher. Sie wuchs an Größe und Majestät. Die
Kabinentemperatur der NEMESIS stieg. Gigantische Plasma-Arme wirbel-
ten aus der Oberfläche -geisterhafte Wesen, aufsteigend aus geschmol-
zenen Meeren. Alex steuerte, den Brennstoff-lader aktivierend, auf einen
zu.
   Die Kobra feuerte. Die Schirme kreischten.
   Die kämpfenden Schiffe tauchten in das Inferno ein...
   'Schau, es funktioniert', sagte Alex.
   Die Brennstoff-Anzeige schlug aus, als der Brennstoff-lader das Roh-
Plasma einsaugte und es in die für den Flug durch die Magische Zone not-
wendige Energieform umwandelte.
   Er lenkte die NEMESIS am Rande des riesigen Feuer-Ozeans entlang. Die
Fontänen der Corona waren Millionen von Kilometer lang und Tausende
breit. An ihrem Ende waren sie wie Wasserwirbel geformt. In dessen Innern
befand sich ein ruhiges Plätzchen, ein Ort ohne gleißende Hitze und ohne
Gefahr.
   Alex schoß darauf zu. Die Kabine füllte sich mit einer unheimlichen Hel-
ligkeit, in der sich die Schatten zu krümmen und zu winden schienen. Die
Sonne blendete unerträglich. Die Temperatur im Schiff stieg dramatisch an.
Flammen umspielten den Rumpf, und die Schirme stöhnten und krachten.
   'Das hält das Schiff nicht mehr lange aus!', sagte Elyssia. Sie war nun
schließlich auch zu der Einsicht gekommen, daß sie im Augenblick noch
nicht in der Lage waren, gegen die Kobra zu bestehen. Sie mußten schnell
'raus hier. Die nächste bewohnte Welt war sechs Lichtjahre entfernt, ihre
Brennstoffanzeige stand jedoch auf höchstens vier, aber sie stieg und stieg.
   Im ruhigen Zentrum des Meeres, umgeben vom Feuer der Sonne,
schwebte die NEMESIS und wartete. Irgendwo in der hellen Glut des
Plasma-Armes suchte die Kobra nach ihnen. Vielleicht waren sie sicher hier,
sicher vor Radar, auch vor Sonden, da weder elektronische Augen noch
Ohren das Strahlenfeld der Corona durchdringen konnten.
   'Fünf Lichtjahre und weiter steigend! Mach' Dich zum Start fertig, ich
habe bereits einen Zielplaneten anvisiert.'
   'Ich bin bereit', sagte Alex. Er versuchte, nicht an die Konsequenzen eines
solchen weiten, unkontrollierten Sprunges zu denken. Am Anfang würden
Sie nur kleine Entfernungen überbrücken, aber der Hyperraum-Antrieb
würde nicht viele solcher Mini-Sprünge vertragen.
   Alex wendete die NEMESIS, so daß sie nun einen leichten Kreis beschrieb
und suchte das schattige, flackernde Feuer nach Gefahrenzeichen ab.
   'Fünf Komma fünf Lichtjahre! Noch eine Minute. Nur 60 Sekunden...'
   'Noch 30 Sekunden! Bald ist es genug.'
   Das Schiff summte. Alex war schweißnaß.
   'Nur noch 20 Sekunden, Alex, und dann können wir fliegen wie Ster-
nensamen!'
   Ein winziges Flackern auf dem Radarschirm: Dort war die Kobra. Sie be-
fand sich auf der anderen Seite der Plasma-Fontäne; ein Vorhang aus Flam-
men trennte sie. Die NEMESIS und der Killer schwebten bewegungslos im
All, sie beobachteten einander durch die mächtigen Feuereruptionen der
Sonne hindurch.
   'Wir sind startbereit', sagte Elyssia. 'Los, Alex,laß' uns abhauen!'
   Aber Alex sah sie abweisend an: 'Nein', sagte er, 'noch nicht!'
   'Alex!'
   Er lenkte das Schiff auf die Feuerhölle zu. Der flackernde, geisterhafte
Punkt auf dem Bildschirm bewegte sich ebenfalls -er kam näher.
   Mit einem Aufschrei beschleunigte Alex die NEMESIS und raste auf den
Schleier aus Flammen und Plasma zu. Er war jetzt zu keinem vernünftigen
Gedanken fähig, er sah nur noch das Gesicht seines Vaters vor sich und den
glühenden Feuerball, in den die AVALONIA verwandelt worden war. Er
fühlte nur noch Trauer, Zorn und Haß.
   Ihm war nur schwach bewußt, daß er eine Rakete entsichert hatte und daß
er eine letzte verzweifelte Chance hatte. Die beiden Raumschiffe kamen sich
immer näher. Nur der Plasma-Vorhang trennte sie. Die Schirme kreischten
und stöhnten unter dem Ansturm der Feuersbrunst, die den Schiffsrumpf
einhüllte. Er durfte nicht zu weit eindringen.
   Nicht zu tief in... Es war zu gefährlich! Er feuerte die Rakete ab.
   Das winzige Geschoß sauste schlingernd in das Inferno und auf die Kobra
zu. Weder auf dessen, noch auf seinem Monitor war sie nun auszumachen.
Nicht, bevor es zu spät war.
   Die Kobra aktivierte ihr RA-System. Alex beobachtete den grellen Blitz
der plötzlichen Explosion und er sah den riesigen Feuerball, der sich um die
detonierende Rakete bildete.
   Explosionsdruck, Hitze, Plasma konzentrierten sich zu einer Energiebal-
lung von der Corona hinüber peitschte und die Kobra verschlang.
Kein Schutzschirm der Welt hätte dieser immensen Energie aus Sonnen-
plasma, dieser brennenden, brüllenden, aufgeblähten Feuerwoge explo-
dierender Gewalt standhalten können.
   Die Kobra schwamm in Licht und Feuer. Alex schaute auf den Radar-
schirm und plötzlich...
   Das Licht verlosch.
   Die Kobra gab es nicht mehr. Sie war vernichtet -unwiderruflich.
   Die NEMESIS verringerte ihr Tempo und wendete, um in ungefährlichere
Zonen zu gelangen.
   Auf der Kommando-Brücke wurde kein Wort gesprochen. Aber im
gleißenden Licht der alternden Sonne glitzerten Tränen auf den Gesichtern
der beiden Menschen, die dort standen.

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