Das dunkle Rad Kapitel 4 Eine Ebene Zurück Home Das dunkle Rad Kapitel 6
KAPITEL FÜNF

Nach dem Verlassen der Magischen Zone überkam sie wie immer eine
leichte Benommenheit, ein Schauder, eine kurze Orientierungslosigkeit.
Die rot-blaue Scheibe des Planeten Xezaor vor ihnen war nur wenig heller
als der ihn umgebende Sternenhimmel, seine nahe Sonne düster dunkelrot
glühend. Ein sterbender Stern -wie auch die Welt vor ihnen dem Unter-
gang geweiht war. Aller Reichtum und alle technischen Errungenschaften
nutzten nichts, den Alterungsprozessen des Universums konnte damit nicht
Einhalt geboten werden. Auf Xezaor waren Luxus und Wärme gefragt und
für Shanaskilk-Felle, deren Köpfe noch funktionsfähig sein mußten, wurden
hohe Summen gezahlt.
   Alles war im Grunde Routine, eine normale Handelsreise. Elyssia döste,
Alex fütterte den Auto-Piloten mit Anflug-Koordinaten. Es begann die lang-
weilige Annäherungsphase an den Zielplaneten.
   Routine, an die sich Alex inzwischen gewöhnt hatte. Erst raus aus der
Magischen Zone und dann der zeitraubende unterlichtschnelle Flug, bis die
Coriolis-Station auf dem Monitor erschien.
   Es gab praktisch nichts zu tun, nichts zu sehen...
   Die Kobra taumelte und auf der Kommando-Brücke war ein Kreischen
wie von gefoltertem Metall zu hören.
    'Wir haben Gesellschaft!', rief Alex; Elyssia erwachte blinzelnd. Blitz-
schnell erfaßte sie die Situation, begriff, wo sie war. Alex stand an der Kon-
sole, ihm blieben nur Sekundenbruchteile zum überlegen.
   Er war überrascht worden -nicht so sehr, weil er es hatte an Aufmerk-
samkeit fehlen lassen, sondern weil die angreifenden Raumschiffe so nahe
an der Hyperraum-Mündung gelegen hatten. Weil sie sich zwischen ihrem
Schiff und der glühenden Sonne befunden hatten, waren sie einen Augen-
blick lang nicht zu sehen gewesen. Außerdem ahmten sie zur Tarnung die
schaukelnde Rotation sich langsam bewegender Asteroiden nach. Alex hatte
sie nur mit einem halben Auge bemerkt. Jetzt, nach ihrem ersten Schuß,
waren sie an ihm vorbei gerast.
   Nun schlossen sie sich hinter ihm wieder zusammen, während Alex auf
Höchstgeschwindigkeit ging und die Umgebung nach ihnen absuchte. "Da
sind sie ja...'
   Die Schutzschirme kreischten unter konzentriertem Strahler-Beschuß.
Dauer-Strahler! Die Angreifer waren also hervorragend bewaffnet. Aber das
war die NEMESIS auch, wie Alex und Elyssia ihren neuen Raumer ein
wenig theatralisch genannt hatten. Alex schaltete den Monitor auf rückwär-
tige Sicht und visierte einen der Feinde an. Er jagte zwei Feuerstöße aus
dem kürzlich installierten Rück-Strahler. Die Piratenschiffe drehten ab,
eines von ihnen war angeschlagen.
Als er sie wieder auf dem Bildschirm hatte, entsicherte er eine Rakete. Ein
feindliches Geschoß bewegte sich auf sie zu, auf dem Monitor erschien ein
Warnsignal. Alex aktivierte das RAS der NEMESIS, und nach ein paar sich
quälend in die Länge ziehenden Sekunden verschwand die Rakete in einer
Explosion aus Hitze und Licht.
   Wieder kreischten die Schiffswände und Alex riß das Schiff nach unten
weg; Er sah, daß die Schutzschirme den ersten Energie-Speicher fast auf-
gebraucht hatten.
   Elyssia verhielt sich völlig ruhig, während Alex die Situation zu meistern
versuchte. Der Planet, der sich verwirrend schnell- mal auf und ab, mal
kreiselnd und trudelnd -über den Monitor bewegte, kam immer näher;
Alex kämpfte um eine bessere Gefechtsposition. Dann verließ er sich auf
seinen Instinkt. Er vollführte einen 180-Grad-Looping und jagte kopfüber
auf den Raumer zu, der hinter ihm geflogen war. Jetzt konnte er ausmachen,
daß es sich um ein Schiff der Fer-de-Lance-K1asse handelte, einen schlan-
ken, schnellen Raumer, vollgestopft wahrscheinlich mit hochentwickelten
Steuer- und Verteidigungsgeräten, die sicher noch der ursprüngliche Besit-
zer eingebaut hatte. Vielleicht war es auch nicht so, denn solch eine Aus-
rüstung war nur mit viel Geld zu unterhalten und darüber hinaus schien
dieses Schiff schon Schlachten die Masse geschlagen zu haben.
   Als er mit dem Piraten fast Bord an Bord war, sah Alex seine Chance. Eine
seiner vier Raketen war bereits entsichert und nun drückte er auf den Feuer-
Knopf. Es gab einen gewaltigen Ruck, als das tödliche Geschoß ins All hin-
auskatapultiert wurde. Es verfehlte sein Ziel nicht und die Fer-de-Lance
löste sich buchstäblich in Nichts auf. War sie im Hyperraum verschwun-
den? Wohl nicht, denn als Alex den rückwärtigen Bildschirm aktivierte, sah
er eine Staubwolke, die sich silbrig schimmernd vor dem sternenübersähten
Hintergrund ausbreitete.
   'Volltreffer!' rief Elyssia begeistert. Aber durch die Wolke aus Metallstaub
kam das andere Schiff... Alex vollführte noch einen Looping. Wieder traf
ein Strahl seinen hinteren Schutz-Schirm. Aber da der Feind nun wußte,
daß sein Opfer ein Raketen-Abwehr-System besaß, wollte er die NEMESIS
anscheinend im Nahkampf zerstören.
   Es war ebenfalls eine Kobra. Seine Lader standen weit offen, bereit, die
Container mit wertvollen Shanaskilk-Fellen aus dem Wrack des zerschmet-
terten Kauffahrers zu saugen. Aber darüber dachte Alex natürlich anders.
Wieder befand sich Zezaor vor der Nase der NEMESIS. Sie bekamen jetzt
Feuer von hinten und Alex duckte nach unten weg, um in Sicherheit zu
gelangen; die Strahler des Piraten zeichneten Schlangenlinien in den Ster-
nenhimmel. Alex entsicherte eine zweite Rakete... 'Geh' sparsam mit ihnen
um!', mahnte Elyssia. 'Ich weiß', antwortete ihr Partner, 'aber wir können
uns Ersatz leisten.' 'Nicht leisten können wir uns dann aber die Brennstoff-
Lader!', sagte ihn Elyssia; dann mußten beide lachen, weil ihnen in solch
einer Situation ihre Einkaufsliste Kopfzerbrechen bereitete.
   Die Raumstation und die Sicherheit, die sie aufgrund ihrer
Verteidigungs-Systeme bot, war zu weit entfernt. Alex drehte scharf ab,
Richtung Sonne, und drosselte drastisch seine Geschwindigkeit. Dem er-
sten Manöver konnte das Piraten-Schiff präzise folgen, für das zweite
brauchte es allerdings ein paar Sekunden zu lange. Es schoß an Alex vorbei.
Bevor der Pirat begriffen hatte, was da passierte, war er nicht mehr Jäger,
sondern Gejagter.
   'Schieß, Alex! Los, drauf!', schrie Elyssia und Alex feuerte, was die
Strahlerrohre hergaben, Salve um Salve. Die Kobra auf seinem Bildschirm
tauchte nach unten weg, flog Schlangenlinien -aber Alex war jetzt fast
gleichauf; er überlegte nicht mehr, er reagierte nur noch. Die Temperatur
seines Front-Strahlers stieg bedrohlich an. Eine auf sie gerichtete Rakete
schoß er einfach ab, die Programmierung des RAS hätte ihn nur Zeit geko-
stet. Elyssia schnappte nach Luft, als sie das sah. Voller Bewunderung blick-
te sie zu dem jungen Mann hinüber, in dessen geschickten Händen ihr
Leben lag.
   Ein paar Augenblicke später war alles vorüber. Der Piraten-Raumer hatte
seine Energie erschöpft, er explodierte. Alex sah das Blinken reflektierenden
Metalls, als eine Rettungskapsel abgestoßen wurde und für Sekundenbruch-
teile... TAUCHTE AUS SEINEM UNTERBEWUSSTSEIN DIE ERINNE-
RUNG AN DAS GLEISSENDE FEUER AUF, DAS SEINE EIGENE NOTKA-
BINE ZERSTÖRT HATTE, DIE ERINNERUNG AUCH AN DIE BRUTALE
VERNICHTUNG DER 'AVALONIA' und er war versucht, die Verfolgung
aufzunehmen. Schließlich aber gewann bessere Einsicht die Oberhand. Um
sie herum tanzten Fracht-Container wie Sykomoren-Samen.
   'Und wir können sie nicht an Bord nehmen, weil wir immer noch keine
Lader haben', murmelte Elyssia verdrießlich. Alex grinste: 'Wir haben
Anspruch auf zwei. Als Belohnung!' Die Frau sah zu ihm hinüber, wie er da
so saß und das Schiff ruhig in Richtung Xezaor steuerte. 'Du bist ein
Naturtalent, Alex. Es ist wahrhaftig ein Vergnügen, mit Dir durchs All zu
kutschieren!'
   Keiner von beiden hatte auch nur mit einem Wort erwähnt, daß dies Alex
erstes Einzelfecht gewesen war.

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