Das dunkle Rad Kapitel 3 Eine Ebene Zurück Home Das dunkle Rad Kapitel 5
KAPITEL VIER

'Du hast jetzt ein Schiff -und Du hast Geld. Du hast einen Co-Piloten, der
kann besser schießen als Du -ich hoffe allerdings, nicht mehr lange. Nun
wird es auf Dich ankommen, kleiner Alex. Und noch etwas: Wenn Jason
noch am Leben wäre, hätte er das Gleiche gesagt, wie ich jetzt: wenn es
gefährlich wird, vergiß, was der gesunde Menschenverstand Dir sagt, aber
versuch' es auch nicht mit Gewalt. Tu verdammt nochmal, was Dein Gefühl
Dir befiehlt. Wenn das nicht klappt, dann ist eines bombensicher: Du bist
dann nicht mehr da, um es zu bedauern.' Alex saß an der Steuer-Konsole der
Kobra und betrachtete auf dem Bildschirm Rafes Zuhause. Es war die ziem-
lich stark modifizierte, bizarr aussehende Version eines Anakonde-
Kreuzers, dessen Laderaum verbeult, dessen Brennstoff-lader aufgeschlitzt
waren und dessen Positions-leuchten mehr deshalb blinkten, weil sie de-
fekt waren, als daß sie etwas signalisieren sollten. Rafe hatte ihn nicht ein-
geladen, an Bord zu kommen. 0,1 Lichtjahr von Tionisla entfernt, würde
man ihn kaum entdecken, und so trieb er im kalten, totenstillen interstel-
laren Raum und hortete Schiffe, Brennstoff, Nahrungsmittel und Waffen.
Drei Mambas -kleine Kampfschiffe -waren an der Ladebucht der Ana-
konda angedockt. Roboter krochen auf ihnen herum und flickten die irgend-
wo bei einem Weltraumgefecht abgeschossenen Raumer. Sie brauchten
dazu nicht wie die Menschen Schweißgeräte. Kaum war das Friedhofs-
Schiff in Rafe Zetters privatem System angekommen, erschien Rafes Holo-
bild in der Kabine.
   'Es ist schon einiges an Mühe und Zeit nötig, um ein Raumschiff für solch
ein Unternehmen wie das Euere auszustaffieren. Ich werde Euch soviel
Brennstoff geben, daß Ihr bis Isinor kommt. Aber dann seid Ihr auf Euch
allein gestellt. Ihr werdet Raketen brauchen, einsatzfähige Strahler, eine
Energie-Bombe, Brennstoff-lader und eine ganze Menge anderer Dinge.'
'Gewissermaßen eine Aussteuer', grinste Alex.
   'So ist es. Und ich möchte erst wieder von Euch hören, wenn Ihr den
Gangster skalpiert habt, der Jason auf dem Gewissen hat.'
   'Weshalb tust Du das eigentlich für mich?' 'Ich tue das für Jason', antwor-
tete Rafe. 'Und für einige andere. Und noch etwas, Alex: Kümmere Dich
jetzt nicht um Raaxla, jedenfalls noch nicht. Das hat noch Zeit...'
   'Aber warum hat er es so betont?' 'Um mich wissen zu lassen, daß er Dir
vertraute. Dein Vater war ,davon überzeugt, daß Du das Zeug dazu hast, ein
Elite-Kämpfer zu werden. Das soll mir reichen.'
    In Alex' Kopf drehte sich alles. Was meinte der alte Mann denn nun wie-
der? Nicht genug damit, daß Jason Ryder 'Elite' gewesen war, jetzt sollte er
dieselben Fähigkeiten auch in seinem Sohn vermutet haben?
   Ja, im Sim-Kampf hatte Alex öfter so hohe Punktzahlen erzielt, daß es ihm
einmal sogar die höchste Auszeichnung der Sim-Fighter eingebracht hatte:
eine Siegerurkunde mit einem Stich von London drauf, der alten Erden-
Stadt. Aber er hätte niemals gedacht, daß er im realen leben jemals einen
höheren Rang als 'gefährlich' erringen könnte.
   Und 'Elite'...
   Eine verwirrende Aussicht. Und eine nervenkitzelnde dazu, mit allem,
was damit zusammenhing. Nicht die Vorstellung, sich gegen Freibeuter
verteidigen zu müssen, vielmehr jedoch die eines lebens als Prämienjäger,
der, das Risiko wohl abwägend, durch den Hyperraum in gefährdete
Planetsysteme eindringt und dort die Piraten anlockt; der die Gefahr sucht,
wie man so schön sagt, der seine Einschätzung als Kämpfer in die Höhe
treibt, indem er sich scheinbar den Killern preisgibt, um sie dann selbst
abzuknallen.
   'Eins ist klar', fuhr Rafe trocken fort. 'Bevor Du nicht das erreicht hast,
bevor Du nicht 'Elite' geworden bist, wirst Du nicht nach Raaxla gelangen.
Und Du wirst niemals genau wissen, wonach Dein Vater eigentlich gesucht
hat.' 'Das verstehe ich nicht!' 'Weißt Du denn nichts über die Rolle, die er
innerhalb des Dunklen Rades gespielt hat?'
   Wunder über Wunder! Das Dunkle Rad war ein legendärer Weltraum-
Geheimbund, eine Vereinigung von Sternen-Reisenden, die nach der
Wahrheit hinter den vielen Mythen und romantischen Märchen suchten,
die aus allen Ecken des Universums zusammenflossen: von Fabel-Städten,
Parallel-Welten, Zeit-Reisenden, sogar von Planeten, die der 'Himmel' des
alten Erden-Glaubens hätten sein können. Das Dunkle Rad war für die
Sternen-Händler ebenso geheimnisvoll und mythisch, wie es König Arthus
für die ersten Weltraum-Reisenden gewesen war.
   'Das ist nun wirklich nicht möglich', keuchte Alex. 'Er hätte es uns
erzählt...' 'Den Teufel hätte er', sagte das Holo-Bild auf der Brücke und
starrte den Jüngeren an. 'Das Schiff, das Jason tötete, gehörte keinem
Piraten. Er wurde getötet, weil er etwas herausgefunden hatte. Etwas, worü-
ber gewisse Leute nicht glücklich waren.' 'Und was?'
   Rafe lachte auf. 'Hört Euch diesen Grünschnabel an! Sieh mich an, Alex!
Bin ich noch komplett, was meinst Du! Ich bin es nicht. Ein Bein, ein Stück
Leber, ein paar Gehirn-Zellen -das ist alles, was von meinem wirklichen
Ich übriggeblieben ist. Der Rest ist Biomasse. Als ich wagte, was Dein Vater
gewagt hatte, bin ich zur Hölle und zurück gefahren. Ich war auch einmal
'Elite'. Im Augenblick habe ich soviel Entschlußkraft, daß ichzehn Sekun-
den brauche, um zu entscheiden, ob ich spucken soll oder nicht. Er hat mir
nichts erzählt, weil ich nicht mehr dazugehörte. Jedenfalls nicht so wie früh-
er. Aber ich halte meine Augen und Ohren offen, und ich erledige, was man
mir aufträgt. Und so sicher, wie auf der Haut eines Geretans Gold-Schuppen
sind, so sicher wollte mir Jason Ryder sagen, daß ich Dir helfen soll, in seine
Fußstapfen zu treten.'
   Was da so unmittelbar nach dem Tod seines Vater auf ihn eindrang,
während er dessen Ermordung noch vor Augen hatte, das war fast zuviel für
Alex. Er wußte nicht, ob er vor Stolz erglühen oder vor Angst zittern sollte.
Langsam glitt er auf den Sitz vor der Steuer-Konsole und spielte mit den
Kontroll-Hebeln und -Knöpfen der Kobra.
   Nach einer ganzen Weile begann er zu lächeln. Er schüttelte die Verwir-
rung und Trauer der vergangene Stunden ab. 'Gut! Wenn mein Vater das
alles wirklich wollte, dann sollte ich ihn nicht enttäuschen...'

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