Das dunkle Rad Kapitel 2 Eine Ebene Zurück Home Das dunkle Rad Kapitel 4
KAPITEL DREI

Man nähert sich dem Raumschiff-Friedhof von Tionisla am besten von der
Sonnenseite her (eine einigermaßen sichere Sache, seit Tionisla demokra-
tisch ist und es deshalb dort wenige Piraten gibt). Tionisla selbst ist eine
helle, gelbe Welt und der Friedhof befindet sich immer zwischen dem
Planeten und seinem Fixstern. Wenn Du dicht genug heran geflogen bist,
scheint diese merkwürdige Ansammlung von Gräbern über den ganzen
Horizont ausgedehnt.
   Das erste, was Du siehst, ist eine schimmernde Silberscheibe, eine dop-
pelte Spirale aus kleinen leuchtenden Punkten, die langsam rotiert. Es ist
eine Galaxis en miniature, und hat ebenfalls einen intensiven Lichtfleck im
Zentrum. Dort sind die größten Grabstätten zu finden. Wenn Du näher-
kommst, erkennst Du, daß die Sterne dieser Galaxis Gedenktafeln sind,
großflächige Metallplatten, auf die in schweren Lettern die Worte und Sym-
bole unzähliger Religionen geschrieben stehen. Der Anblick des Friedhofs
ist grotesk und bewegend zugleich. Die Gedenktafeln haben selten einen
Durchmesser von weniger als eintausend Fuß; da gibt es Kreuze aus
Chromlegierungen, David-Sterne aus Titanium, Heilige Bögen aus Duralu-
minium -all die symbolischen Darstellungen fremder Welten, Gesin-
nungen und Glaubensrichtungen,deren Vertreter sich hierher begeben hat-
ten, um an diesem speziellen Ort zu sterben.
   Unterhalb dieses gewaltigen rotierenden Mausoleums ist der 12-flächige
Umriß einer 'Dodo'-Raumstation zu erkennen, in der die Friedhofs-Behörde
untergebracht ist. Hier muß man Sicherheitskontrollen über sich ergehen
lassen und erhält den Besucher-Paß. Und wenn Du Dich dann in die
Schlange eingereiht hast und durch das transparente Dach der Zoll-Station
siehst, erblickst Du die geborstenen, zerschmetterten Schiffe der Toten, fest-
gemacht an die stillen Gräber, in denen die Verstorbenen liegen.
   Ein guter Grund, nach Tionisla zu kommen, sind die vielen, noch brauch-
baren Dinge in dem riesigen Schrotthaufen. Die Schätze ganzer Jahrhun-
derte könnten entdeckt werden, wenn man den richtigen Knopf des rich-
tigen Würfels aus schwarzem, fremdartigem Metall drückt, der gerade
vorbeischwebt. Vielleicht aktivierst Du auch keine Schatztruhe, sondern die
Verteidigungs-Systeme der Grabkammer... Eine Schießscharte, aus der ein
Strahler zu feuern beginnt... Einen Wach-Roboter mit Messern anstelle der
Hände...Ein Hyperraum-Vakuum, das Dich einsaugt und in eine andere
Zeit spuckt.
   Du solltest Dich vorsichtig zwischen den Wracks im Orbit von Tionisla
bewegen. Die Geschöpfe, die hier bestattet wurden -seien sie nun Men-
schen oder nicht -besaßen genug Geld, um sich diese begehrten Ruhestät-
ten zu kaufen und meist mehr als genug davon, um ihren Reichtum auch
nach dem Tode vor den habgierigen Fingern von Leichenfledderern zu
schützen.
   Nachdem alle Formalitäten erledigt waren und man seinen erneuerten
Piloten-Schein gecheckt hatte, gab man Alex Ryder ein kleines, seltsam
anzusehendes und schwerfälliges Raum- Taxi. Auf der Suche nach der Grab-
kammer von Sternen-Pilot Fleischer kurvte er zügig durch die Reihen der
Gräber, den Koordinaten des Friedhofplanes folgend.
   Bald fand er, wonach er suchte. Wer immer Fleischergewesen sein moch-
te, auf jeden Fall hatte ihn eine erschreckende Egozentrik ausgezeichnet:
Sein Grab war ein großes, kristallförmiges Bauwerk, ein Pilz diamanten
strahlender Nadeln, hunderte von Fuß irn Durchmesser. Sein mumifizierter
Körper schwebte, angetan mit der roten Uniform der Elite-Kämpfer, im
Zentrum dieser riesigen Scheußlichkeit, beleuchtet vom gebündelten Licht
der Sonne. Am benachbarten schlichten Grab war eine zerbeulte, ausge-
glühte Kobra festgemacht; stolz präsentierte sie noch ihre Orden und
Ehrenzeichen -Zusatz-Einrichtungen wie Brennstoff-lader, Extra-
Frachtraum, hintere Raketen-Rampe und Reserve-Batterien waren allerd-
ings entfernt worden.
   Alex starrte das Schiff an. Es sah nicht so aus wie die Kobra, die das Schiff
seines Vaters zerstört hatte. Der Raumer da war mit allem ausgestattet
gewesen, was man für Geld kaufen konnte, um sich zu verteidigen, um
anzugreifen und um den Elite-Kaufleuten beim Handeln Vorteile zu ver-
schaffen.
   Von der Kobra blinzelte ein licht zu ihm herüber.
   Alex wischte sich die Augen, dann sah er nochmals hin. Kein Zweifel,
eine kleine, rote lampe ging an und aus, funkte irgend etwas. LANDE AUF
DER RÜCKPL! 'lande auf der rückwärtigen Plattform' -Er verstand.
  Alex manövierte sein winziges Fahrzeug über den pfeilförmigen Rumpf
der Kobra und landete sanft auf dem ausgeglühten Rumpf. Schuldbewußt
sah er sich um. Es war nicht erlaubt, die Grabmäler zu berühren; der
Friedhof wurde von Krait-Patrouillen-Booten überwacht, kleinen, tödlichen
Sicherheits-Fahrzeugen, die die Anweisung hatten, jedermann -ob Mann,
Frau oder Kind -einfach abzuknallen, der bei etwas Verbotenem innerhalb
des Mausoleums erwischt wurde.
   Aber der Friedhof war ungeheuer groß und die Schatten der aufragenden
Grabmäler verwandelten diese Miniatur-Welt der Toten in einen Ort der
Schlupfwinkel, der Verstecke, gelegentlich sogar der Sicherheit.
   Eine Einfahrts-Schleuse öffnete sich und ein grünes licht funkte: 'Kom-
men Sie an Bord!'. Alex lenkte das Raum-Taxi in den Rumpf hinein, und
nachdem er die Nachricht: 'Grünen Knopf drücken!' empfangen hatte,
stieg er aus und ging vorsichtig auf die Kommando-Zentrale zu. Er öffnete
die Schiebetür und blickte kurz auf die blitzenden Insturnente und die
Monitore. Der große Bildschirm über ihm war ganz ausgefüllt vom Bild des
Fleischerschen Kristall-Grabes.
   Der Schatten eines Mannes irn Raum-Anzug war gegen die leuchtende
Helligkeit des Kristalls zu sehen. Er hatte eine Hand auf der Steuer-Konsole,
die andere schwebte über dem Feuerknopf des Strahlers.
   'Hier bin ich', sagte Alex und trat hinter den schweigenden Piloten. Der
bewegte sich nicht, schwieg. Für einen Augenblick trat Alex neben ihn und
starrte mit ihm auf den Raumschiff-Friedhof, auf die langsam treibenden
Grabstätten und den Schimmer der Sterne irn Hintergrund. Dann wandte er
sich an seinen Gastgeber, um ihn zu begrüßen.
   Und fuhr tödlich erschrocken zurück!
   Das verzerrte Gesicht einer Mumie sah ihn durch die Frontscheibe des
Helms an, das Grinsen des Todes auf den Lippen.
   "Meinst Du, wir sollten ihn mitnehmen?' fragte eine Stimme von der
gegenüberliegenden Ecke der Kabine. Verdutzt blickte Alex auf die Gestalt,
die sich aus dem Schatten löste. ' Als eine Art Amulett, als Talisman.'
   Alex versuchte zu grinsen, aber weder die Erleichterung, noch das char-
mante Lächeln des Neuankömmlings konnte seine inneren Spannungen
abbauen. Zu viel war in zu kurzer Zeit passiert, und so stand er wie ange-
wurzelt auf der Stelle und beobachtete, wie die Frau zu ihm herüberkam.
   Sie war ziemlich klein. Ihre Haut war olivfarben, ihre Augen dunkel. Das
Haar trug sie als modische Igel-Frisur; gekleidet war sie wie die meisten
Händler in einen hellgrünen Overall, in dem sie zu ertrinken schien. Ihr
Händedruck war kühl und selbstsicher, und sie sah ihm gerade in die Au-
gen, als sie, entwaffnend lächelnd, zu ihm aufblickte.
   'Du bist also der Bursche, den Rafe ausgesucht hat. Na denn, Alex. So wie
mir scheint, ist es allerdings eine ziemlich schweigsame Angelegenheit, mit
Dir von Stern zu Stern zu reisen. Du bist... eh...'. Sie runzelte die Stirn. 'Hat
man Dir keine Stimme eingebaut?' Sie drehte ihn etwas herum und fühlte
seinen Rücken nach einem Schalter ab. 'Oder bist Du etwa eines von den
frühen sprach- und hirnlosen Grinsmodellen?' 'Tschuldigung', murmelte
Alex, 'ich war nur ein bißchen überrascht.' , Ach, du lieber Gott, hätte ich
nur den Ausschalter gefunden. Schweigsam bist Du mir denn doch lie-
ber...' 'Wer bis Du eigentlich', fragte Alex, immer noch irritiert durch ihre
direkte Art, andererseits aber auch begierig zu wissen, weswegen Rafe Zet-
ter ihn hatte hierherkommen lassen. Und wo war der alte Kerl überhaupt?
   'Kauffahrer Fields', antwortete sie und führte den Ballen ihrer rechten
Hand zum Gruß an ihre linke Schulter. 'Man hat mir den Namen Elyssia
gegeben. Elyssia Fields.' Sie lächelte erneut. 'Ein kleiner Spaß meiner
Leihmutter. Sie interessierte sich mit neun gerade für griechische Mytholo-
gie, als sie ihre erste Gruppe austrug.'
   Leihmutter? Griechisch? Gruppe austragen? Das bedeutete, daß Elyssia
von Teorge stammte, der 'Welt der Klone'. Alex versuchte sich verzweifelt
daran zu erinnern, was man ihm über Teorge beigebracht hatte... eine be-
wohnte Welt... wurde besiedelt von zwei Kolonisten -Schiffen... die waren
dazu übergegangen, einige ausgewählte Exemplare von Mannschaft und
Siedlern zu klonen... hatten die andern getötet. Jahrzehntelang war Teorge
ein Planet im Abseits gewesen, abgeschnitten von den Geldströmen des
Handels und der Wirtschaft, ausgeschlossen von allen galaktischen Bünd-
nissen.
   Ganz gewiß war Elyssia Fields geflüchtet. 'Mein Name ist Alex Ryder',
sagte er überflüssiger weise. 'Ich weiß, ich weiß', erwiderte die Frau und
wandte nun den Blick von ihm. Sie gab der Mumie einen leichten Klaps auf
die Schulter, eine seltsam vertraute Geste. 'Dies ist -oder besser: war -
Weltraum-Händler Henry Bell. Wir werden jetzt Mr. Bells Sarg mausen. Von
allen, die dagegen Einwände haben werden, ist er der bei weitem un-
angenehmste. In diesem rostigen Eimer hier gibt es eine Reihe von
Hologramm-Abbildern von ihm, die jeden Eindringling vor den schreck-
lichen Konsequenzen warnen, die da drohen, wenn man seine heilige Ruhe
stört. Ich habe zwar die meisten von ihnen abgeschaltet, fürchte jedoch, daß
ich einige vergessen habe.' 'Wir wollen also das Schiff hier stehlen', fragte
Alex leise und sah hinüber zu den flackernden Lichtern der Instrumenten-
tafel. Hyperraum-Brennstoff für 0,1 Lichtjahre, kaum genug, um dem
Tionisla-System Ade zu sagen. Elyssia blickte ihn mit einem versteckten
Lächeln an. 'Wir können die Zeit auch mit Schwatzen verbringen, wenn Du
willst. Oder wir pflanzen ein paar Blümchen und fegen das Grabmal hier...'
'Ich wollte damit sagen', erwiderte Alex trocken, 'wie zum Teufel wir damit
von hier wegkommen wollen?' Er bemerkte verdutzt, daß er das spitzbübi-
sche Gesicht dieses humanoiden Weibes gebannt anstarrte. Der Schatten
von Schwermut und Trauer, der die letzten Stunden auf ihm gelastet hatte,
schien sich wenig zu lichten. Das Mädchen begann ihn zu interessieren.
"Warum überhaupt willst Du mir helfen?' fügte er hinzu. 'Und wo ist
eigentlich Rafe?'
   Elyssian antwortete mit einem kurzen Lachen: 'Das ist schon komisch mit
Rafe. Wo immer Du dich in der Galaxis befindest, er ist da: ein flimmerndes
weißes Holobild... aber wo er tatsächlich ist... das muß man erst einmal
herausfinden.' Sie sah zu Alex auf. 'Warum ich Dir helfe? Wer sagt, daß ich
das will? Wir helfen uns alle gegenseitig. Du hast einen Vater, den Du
rächen willst. Ich habe auch einige Sachen, für die ich mich revanchieren
möchte. Kann sein, daß ich Dir mal davon erzähle. Was aber das Wichtigste
ist: Ohne Dich kann ich dieses Schiff nicht fliegen.'
   Alex war überrascht. 'Kobras können doch von einem Piloten geflogen
werden?' , Aber ich bin eine einzelne Teorgonin. Ich dürfte gar nicht hier
sein. Ich kann diese Kiste mit geschlossenen Augen fliegen, aber Dein
Gesicht ist es, worauf es ankommt. Hör' mir zu, Alex: Dieses Ding hier
übersteht nicht die erste Attacke eines Piraten mit einem Blasrohr, egal wie
gut wir die Knöpfe für die Strahler bedienen können. Wir brauchen Schutz-
schirme, Raketen, Verteidigungswaffen und Fracht-Container. Wie meinst
Du, sollen wir dazu kommen? Sie fallen einem nicht wie Sterntaler in den
Schoß, oder?' 'Versuch' sie Dir durch Handel zu verdienen', sagte Alex düs-
ter und er mußte an seine Familie denken, die seit Generationen im Wel-
traum Geschäfte gemacht hatte. Elyssia hatte natürlich recht. Er konnte nicht
ohne eine ordentliche Ausrüstung die besagte Kobra jagen, und es würde
zu lange dauern, auf seine Erbschaft zu warten, wenn ihm dabei immer im
Kopf herumging, auf welche Weise sein Vater gestorben war.
   Niedergeschlagenheit überkam ihn. Ein Teil von ihm wollte möglichst
bald töten, wollte hinaus auf die Weltraum-Handelsrouten, um den Mörder
seines Vaters zu suchen. Aber sein vernünftigerer Teil wußte, daß dies
geradewegs in eine Katstrophe führen würde, daß er sich in Geduld üben
mußte, daß es nötig war, die ganze Sache taktisch anzugehen... und daß ein
sicheres Schiff am allernotwendigsten war.
   'Ich hätte 100 Credits zur Verfügung', warf Alex ein, sich an das Darlehn
erinnernd, das ihm die Galaktische Unfall-Versicherung gewährt hatte. 'Im-
merhin etwas für den Anfang', sagte Elyssia. 'Für den Anfang als Händler.
Wie Rafe sagen würde: 'eine bescheidene Aussteuer für ein altes Mädchen'.'
Ihr Gesicht verfinsterte sich und die flackernden Lichter der Konsole
spiegelten sich in ihren Augen. 'Dan laß' uns einen Ort ansteuern, den,
glaube ich, nur Rafe Zetter kennt. Und danach werden wir einigen Leuten
mit ein paar Schießereien erhebliche Scherereien bereiten. Wir werden uns
das Schiff greifen, das Deinen Vater auf dem Gewissen hat. Es ist ein Schiff,
das eine Menge Antworten schuldig ist. ..' Mehr als das wollte sie nicht
sagen.
   Für jeden, der beabsichtigt, eine Weltraum-Händler-Karriere von Null an
zu beginnen, ist die schwierigste Aufgabe, ein Raumschiff zu bekommen.
Jedes Planeten-System hat seine Schrottplätze, seinen Gebraucht-
Fahrzeuge-Markt und Versteigerungen von beschlagnahmten Raumern. Es
gibt Gegenden, da wird Co-Piloten angeboten, vier Jahre lang umsonst zu
arbeiten; als Gegenleistung bekommen sie dann am Ende dieser Zeit ein
Schiff- falls sie noch am Leben sind.
   Aber Schiffe sind teuer, selbst wenn sie von der Müllhalde stammen.
   Alex war beeindruckt und bestürzt zugleich über den verwegenen Dieb-
stahl, den Elyssia da vorschlug. Rafe zeichnete für den Plan verantwortlich:
Insgesamt hatte sich Elyssia nach ihrer Flucht fast ein Jahr lang in dem aus-
gedienten Raumschiff versteckt gehalten; es war ihr gelungen, genügend
Brennstoff, Nahrungsmittel und Energie zusammenzutragen, um den kur-
zen Hyperraum-Sprung zu dem Ort, den sie erwähnt hatte, zu wagen. Das
einzige, was noch fehlte, war der geeignete Co-Pilot -und zwar mußte es
jemand sein, der Geschäfte abwickeln konnte, ohne Argwohn zu erregen.
   Sie beförderten die mumifizierte Leiche von Henry Bell in das kleine
Raum- Taxi, setzen den Antrieb in Gang und machten es los.
   'Was immer jetzt geschehen mag', sagte Elyssia, als sie an den Steuerkon-
solen Platz genommen hatten, 'auf jeden Fall wirst Du ab jetzt als 'Kri-
mineller' in den Listen der Galaktischen Polizei geführt. Aber Rafe ist der
Meinung, daß sie es nur in Tionisla melden werden, wenn wir die Leiche
unversehrt lassen. Wenn wir sie einfach vernichten würden, würden sie
wahrscheinlich die meisten bewohnten Welten in der Nähe informieren,
und das können wir uns nicht leisten. Hier geht...'
   Auf dem Bildschirm sahen sie, wie das kleine Schiffchen abdriftete; die
vielen Grabmäler des Friedhofes blieben zurück als eine wirre Aneinander-
reihung von hell-leuchtenden und dunklen, schattigen Konturen. Alex
beobachtete aufmerksam die Radarschirme und Monitore. Für die vorderen
und rückwärtigen Bildschirme besaßen sie nur minimale Energie. Mit dem
Strahler konnten sie höchstens ein oder zwei Schüsse abfeuern. Eine Rakete
hatten sie natürlich auch nicht. Und ihr Fahrzeug war immer noch mit der
Dodo-Raumstation verbunden, deren Position durch einen kleinen hellen
Punkt auf der dreidimensionalen Raster-Karte markiert wurde.
   Ganz langsam wendete die Kobra und begann, sich sachte und geräusch-
los auf den Rand des spiralförmigen Gräberfeldes zuzubewegen.
   Der Radarschirm war eingeschaltet und Alex achtete angestrengt, wach-
sam und besorgt auf das verräterische Blinken eines sich bewegenden
grünen Lichtes. Die matten Farben der Gräber und der Stations-Anlagen
beherrschten den Bildschirm. Langsam zogen sie vorbei.
   'Ich müßte Dir eigentlich ein paar Dinge über unkontrollierte Hyperraum-
Sprünge erzählen...' , begann Elyssia und Alex war wieder einmal für einen
Moment irritiert.
   'Danke, danke. Ich weiß Bescheid. Aber nebenbei: Wohin immer wir
springen, wir sind nie weiter als ein zehntel Lichtjahr vom Ausgangspunkt
entfernt. Das hält das Risiko in Grenzen.'
   Elyssia kicherte: ' An welchen Gott oder welche Göttin glaubst Du?' 'An
Zufallius' , murmelte Alex. 'Ich auch. ..' Alex lachte und sagte: 'Sprich mir
nach: Zufallia, Göttin des Schicksals, wir beten Dich an...' 'Bring uns zu
Rafe, bitten wir Dich...'
   Die Grabmäler und Gedenktafeln glitten vorüber. Bald hatten sie nur
noch die Sterne über sich. 'Gleich ist es soweit!' keuchte Elyssia. 'Paß auf,
gleich kommt der Sprung!' Alex starrte auf den Radarschirm. Zwei leuch-
tende Lichtpunkte erschienen, sich rasend schnell auf sie zubewegend. 'Wir
bekommen Gesellschaft!' sagte er und Elyssia fluchte laut und wenig
damenhaft. 'Wir haben fast überhaupt keine Strahler-Energie', flüsterte
Alex.
   'Benutz' ja nicht den Strahler, sonst ist jede Chance dahin, als Händler
Geld zu verdienen. Das ist Polizei. Es scheinen keine Vipern zu sein, aber
Polizeischiffe sind es trotzdem. Verdammt noch einmal!'
   Sie befanden sich jetzt im offenen Weltraum. Die beiden Polizei-Raumer
trennten sich, um sie einzuschließen. Den Zeigefinger auf dem Knopf, der
sie in den Hyperraum befördern sollte, begann Elyssia mit dem Count-
down. 'Zehn Sekunden. ..' Die Kobra vibrierte und jaulte, sie war solche
Anstrengungen nach Jahren des Vor-sich-hin-rostens nicht mehr gewöhnt.
'Sie kommen von beiden Seiten... sie greifen mit Strahlern an!' 'fünf
Sekunden.' Die Kobra kreischte auf, als ein Treffe. Ihren Rumpf aufblitzen
ließ. Der Schutzschirm, ohnehin äußerst schwach, brach zusammen. Der er-
ste Angreifer schoß an ihnen vorbei. Sein Kollege feuerte- zum Glück vor-
bei. Er umflog mit Mühe ein riesiges Torbogen-Grab, das langsam rotierend
am Rande des Weltraum-friedhofs dahinzog. 'Drei...' 'Sie kommen von
hinten... Treffer!' Die zwei Polizei-Raumer hatten sich wieder vereinigt.
Ihre Strahler bestrichen die Umgebung nahe der Kobra. 'Zwei...' Dann gab
es einen Ruck, einen Schmerzensschrei, das Raumschiff sprang fast außer
Kontrolle. Und dann -Sie waren im Hyperraum- Tunnel. Elyssia ließ sich
in ihren Sitz zurückfallen. Alex strahlte. Als er zu der Teorgonin
hinüberblickte, sah er, daß ihr Gesicht schweißbedeckt war. Er streckte
seine Hand, deren Finger unkontrollierbar zitterten, zu ihr hinüber.

Das dunkle Rad Kapitel 2 Eine Ebene Zurück Home Das dunkle Rad Kapitel 4